Die Chronik der Ortsgruppe Oberkochen

Die Anfänge und die Jahre bis zum 1. Weltkrieg.

Die schriftlichen Aufzeichnungen der Oberkochener Ortsgruppe beginnen im April 1921. In einem Schulheft, angelegt von dem damaligen Schriftführer, Oberlehrer Alfons Mager, wurden von nun an die wichtigsten Geschehnisse in der Ortsgruppe registriert. Mager richtet zunächst den Blick in die Vergangenheit. Auf der inneren Umschlagseite dieses ersten Protokollheftes ist vermerkt, daß die Oberkochener Ortsgruppe im Jahre 1894 durch Oberförster Weiger gegründet wurde und mit Weiger als erstem Vertrauensmann neun - namentlich genannte - Mitglieder umfaßte.

Dieser schriftlichen Überlieferung entsprechend hat die Oberkochener Ortsgruppe die Feier zur 100. Wiederkehr ihres Gründungsjahres 1994 geplant.

Doch wie sehr trügt die Erinnerung, wie schnell geraten Ereignisse in Vergessenheit. Die Recherchen über den Beginn der Oberkochener Ortsgruppe und die nicht in den Vereinsprotokollen überlieferte Zeit zeigten, daß die Aufzeichnungen Magers nicht den Tatsachen entsprechen. Der Oberkochener Albverein ist schon älter, er hatte einen anderen ersten Vertrauensmann und im Jahre seiner Gründung auch weniger und z. T. andere Mitglieder als von Mager genannt.

Wie und wann begann es wirklich?

Im September 1891 trat der Oberkochener Evangelische Pfarrer Brecht dem 1888 gegründeten Schwäbischen Albverein als Einzelmitglied bei. Einen Monat später folgten Schultheiß Bezler und Oberförster Fröhner, der in der Ausgabe November 1891 der »Blätter des Schwäbischen Albvereins« schon als Oberkochener Vertrauensmann erscheint.

Insgesamt hatte der Albverein zu dieser Zeit etwa 3000 Mitglieder.

In dem im Januar 1892 erschienenen Mitgliederverzeichnis des Schwäbischen Albvereins werden für Oberkochen folgende Mitglieder genannt:

Vertrauensmann: Oberförster Fröhner, Bezler (Schultheiß), Brecht (Pfarrer), Breitenbach (Pfarrer), Nagel zum Hirsch.

Diese fünf Oberkochener Männer bildeten im Jahre 1891 eine »Vertrauensmännerschaft«, wie man damals den losen Zusammenschluß aller in der Ortschaft wohnenden Mitglieder nannte, die von einem Vertrauensmann betreut wurden. Die Vertrauensmänner waren zu dieser Zeit »Beauftragte« des Hauptvereins und wurden von der Vorstandsschaft des Hauptvereins gewonnen. Der Name »Ortsgruppe« bürgerte sich erst später ein, als die einzelnen Vertrauensmännerschaften selbständiger wurden und sich zu Einheiten mit Ortszuschlag und selbstgewähltem Vorstand zusammenschlossen.

Könnte vielleicht 1894 als Gründungsjahr einer Oberkochener Ortsgruppe in dem genannten Sinne zutreffen? Vermutlich nein, denn erst ab 1895 drängte der Hauptverein auf die Bildung von Ortsgruppen.

Faktum ist: Schon 1891 gab es in Oberkochen einen Zusammenschluß von Mitgliedern des Schwäbischen Albvereins mit einem Vertrauensmann an der Spitze, so kann man dieses Jahr wohl mit Fug und Recht als Gründungsjahr des Oberkochener Albvereins betrachten.

Bereits 1891 auf der Herbstversammlung des Schwäbischen Albvereins in Plochingen wurde die Bildung von Obmannschaften, d. h. eine Gaueinteilung der Schwäbischen Alb beschlossen. Oberkochen gehörte zum Nordostgau, der zunächst die Oberämter Neresheim, Ellwangen, Aalen, Heidenheim und Teile des Oberamtes Gmünd umfaßte. Obmann des Nordostgaues wurde Dr. Franz Keller aus Heubach, dem zehnköpfigen Ausschuß gehörte auch der Oberkochener Vertrauensmann, Oberförster Fröhner, an. Im April 1893 verließ Karl Fröhner Oberkochen, um das Forstrevier in Göppingen zu übernehmen. Bei seinem Abschied (der Heimatverein berichtete in »Bürger und Gemeinde« darüber, s. Berichte Nr. 169 und 170), wurde er zum Oberkochener Ehrenbürger ernannt.

Sein Nachfolger im Amt, Oberförster Carl Weiger, übernahm auch die Aufgaben als Oberkochener Vertrauensmann.

Im März 1894 wurde auf der Gauversammlung des Nordostgaues Oberförster Weiger anstelle von Fröhner in den Ausschuß gewählt.

Das Mitgliederverzeichnis des Schwäbischen Albvereins nennt 1894 für Oberkochen folgende Namen:

Weiger, Oberförster (Vertrauensmann), Bezler (Schultheiß), Brecht (Pfarrer), Breitenbach (Pfarrer), Bäuerle, Wilhelm (Bohrerfabrikant), Leitz, Albert (Bohrerfabrikant), Alison (Kaufmann), Ernst, Ludwig  (Zimmermeister), Günther, G. (Fabrikant), Wider (Pfarrer).

Wenn auch in Oberkochen - wie überall - die ersten Albvereinsmitglieder aus dem gehobenen Bürgertum kamen, entwickelte sich der Schwäbische Albverein sehr schnell zu einem wahren Volksverein, der keine Standes- und Konfessionsunterschiede kannte und jedem offenstand.

Oberförster Weiger leitete bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1909 die Oberkochener Ortsgruppe. Über sein segensreiches Wirken für den Albverein wird im folgenden noch zu berichten sein. Bei seinem Wegzug von Oberkochen (auch er wurde bei seinem Abschied Oberkochener Ehrenbürger) hatte die Ortsgruppe schon 31 Mitglieder. Bereits zwei Jahre später starb Weiger im 69. Lebensjahre in Herrlingen bei Ulm. Die »Blätter des Schwäbischen Albvereins« widmeten ihm folgenden Nachruf:

»Ferner verschied am 19. Dezember in Herrlingen bei Ulm unser Ausschußmitglied Oberförster Weiger, früher V. M. in Oberkochen, 69 Jahre alt. Er hat an den Vereinsarbeiten im Nordost- und Brenz-Gau (z.B. Volksmarsbergturm) hervorragenden Anteil genommen und war auch bei den Ausschußberatungen, soweit es seine Gesundheit erlaubte, ein fleißiger Teilnehmer. Der Vereinsvorstand ließ an seinem Grabe einen Kranz niederlegen. Allen (es werden in dem Nachruf noch weitere Personen erwähnt, Anm. d. Verf.) diesen Mitgliedern ist unser Dank über das Grab hinaus sicher«.

Trotz seines Umzuges nach Herrlingen wirkte Oberförster a. D. Weiger bis zu seinem Tod als Ausschußmitglied des Nordostgaues.

In Oberkochen fand sich zunächst kein neuer Vertrauensmann. Erst 1911 übernahm Schultheiß Frank dieses Amt, das er elf Jahre innehatte. Sein Wirken fiel weitgehend in die Kriegs- und Nachkriegszeit, unter der natürlich zwangsläufig auch die Albvereinsarbeit litt.

Inzwischen war der Schwäbische Albverein längst zu dem geworden, was er nach den Absichten der Gründer sein sollte: »eine große, das ganze Gebirg - vom Ipf bis zum Randen - umspannende Vereinigung zur Pflege der Naturschönheiten, zur Hebung des Fremdenverkehrs und zur Förderung der verschiedenartigsten touristischen und wissenschaftlichen Interessen«, wie es in einem Zeitungsbericht von 1890 heißt.

Welche Resonanz Programm und Arbeit des Schwäbischen Albvereins in der Bevölkerung fanden, das zeigen besonders deutlich die schnell wachsenden Mitgliederzahlen: 1913, 25 Jahre nach seiner Gründung gehörten bereits ca. 40 000 Natur- und Wanderfreunde dem Schwäbischen Albverein an.

Die Zahl der Oberkochener Mitglieder betrug zu dieser Zeit, bedingt durch Todesfälle und Wegzüge, nur noch 25. Bemerkenswert ist auch, daß in diesen 25 Jahren der Jahresbeitrag konstant blieb, er betrug 2 Mark, wozu noch von der Ortsgruppen Zuschläge zwischen 10 Pfennigen und 1 Mark erhoben wurden.

Eine Strophe des Gedichtes, das einer der Gründer, Professor Eugen Nägele, zur Feier der 25. Wiederkehr des Gründungstages des Schwäbischen Albvereins am 13. August 1888 verfaßte, könnte auch heute noch das Motto sein:

» Uns führt' einst innerer Drang zusammen; Und edelster Begeisterung Flammen Durchglüh 'n noch heut den großen Bund. Eins fühlt er sich im Heimatstreben; Er pflegt, was in Natur und Leben Erhebt und schön ist und gesund.«

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